Rechtsextremismus in Brandenburg und das Aussteigerprogramm wageMUT …

Rechtsextremismus in Brandenburg und das Aussteigerprogramm wageMUT …

… eine wichtige und gelungene Veranstaltung, deren Höhepunkt ein Gespräch mit einem Aussteiger aus der rechtsextremen Szene darstellte. Michael Hüllen, stellvertretender Referatsleiter im Ministerium des Innern und für Kommunales Brandenburg, hat über 30 ehrenamtliche Richterinnen und Richter unseres Verbandes in ein spannendes, kurzweiliges und sehr eindrucksvolles Vortragskonzept mitgenommen, dessen Themen aktuell leider immer größere Bedeutung gewinnen.

Michael Hüllen                                       

Rechtsextremisten, deren Denkweise von einem autoritären Staatsverständnis, dem Führerprinzip und einem rassistisch geprägten Menschbild ausgeht, lehnen die Unantastbarkeit der Würde des Menschen, die universell geltenden Menschenrechte und damit die deutsche Verfassung ab. Vermittelt wurde eindrucksvoll, wie wichtig es ist, auf unsere jungen Menschen zu achten, deren Rekrutierung zunehmend über Gaming- und soziale Plattformen stattfindet und die dort oft in ihrer ganz eigenen Welt leben. Viele Beispiele neuer rechtsextremistischer Jugendstrukturen in Brandenburg wurden erläutert, die sich u.a. Homosexuelle, Migranten und linke Gruppen als Feindbilder aufbauen.

Herr Hüllen stellte uns das Ausstiegs- und Distanzierungsprogramm des Landes Brandenburg (wageMUT) vor, welches den Ausstieg, der eine tiefgreifende Veränderung im Leben eines Menschen bedeutet, professionell und verantwortungsvoll begleitet. Ziel ist ein selbständiges und selbstbestimmtes Leben ohne Gewalt und Extremismus mit Blick auf die Selbstwirksamkeit des Betroffenen, damit dieser zu der Überzeugung gelangen kann, durch die eigenen Fähigkeiten die Herausforderungen des Lebens meistern zu können.

Ausstieg und Distanzierung | Ministerium des Innern und für Kommunales

Wie dies erfolgreich gelingen kann, erläuterte uns ein Aussteiger, der seinen Lebensweg sehr lebendig und eindrucksvoll schilderte. Mangelnde Fürsorge, die er zunächst als Freiheit empfunden hatte und fehlende Anerkennung führten ihn auf den Weg, sich selbst zu suchen und in charismatischen Gruppen zu finden. Erste Kontakte mit rechtsextremistischer Musik und deren Texten eröffneten ihm den „Soundtrack seines Lebens“. Der „Graben zum Rest der Welt“ wurde immer größer und das „Kümmern“ in der rechten Gruppierung verlieh ihm das Gefühl, angekommen zu sein.

Zu diesem Zeitpunkt spielte die Ideologie noch keine Rolle, deren Inhalte ihm im Laufe der Zeit aber geläufiger wurden, denn „ein guter Bösewicht ist immer der Held seiner eigenen Geschichte“. Extremisten glauben daher fest an die eigenen Werte. Das Gefühl der permanenten „Belagerung“ und Bedrohung durch unsichtbare Mächte erzeugt das Bedürfnis, Ohnmacht in Macht zu verwandeln. Dies entlädt sich dann in Gewalttaten, auch gegen Schwächere, die aber als Repräsentanten des machtvollen und bösartigen Systems wahrgenommen werden.

Irgendwann stellte sich in dieser permanenten Anspannung ein sogenannter „Extremismus-Burnout“ bei ihm ein, der es ermöglichte, erste Schritte hin zu einem Ausstieg in Erwägung zu ziehen. Zunächst sei eine gute Zukunftsperspektive notwendig, um „das Ufer zu wechseln“. Erst danach könne man aus einer ruhigen Position heraus die extremistischen Denkmuster dekonstruieren. Und heute kann er mit sicherem Abstand anderen Menschen helfen, den gleichen Weg anzutreten.

Für uns als ehrenamtliche Richterinnen und Richter gab Herr Hüllen abschließend die Empfehlung, jugendlichen Straftätern im Urteil die Auflage mitzugeben, Gespräche mit wageMUT oder anderen Aussteigerprogrammen zu akzeptieren, um ihnen die Chance auf einen Lebensweg ohne Extremismus zu ermöglichen.

Michael Hüllen

Ein herzliches Dankeschön an Herrn Hüllen und den Aussteiger – diesen sehr mutigen Menschen, hier bewusst ohne Namen bleibend.

v.l.n.r.: Petra Ott, Jörg Siegmann, Corinna Mix, Michael Hüllen